Regionalliga: RB Leipzig gegen 1.FC Magdeburg 1:1

Nichts verdeutlicht die derzeitigen Ansprüche beim ehemals hochgradig ambitionierten 1.FC Magdeburg besser als der überschwengliche Jubel, den Spieler und Trainer unisono nach dem Unentschieden bei RB Leipzig veranstalteten. Der Jubel war natürlich völlig berechtigt angesichts der sportlichen Situation im Verein und des überraschenden Punktgewinns, aber eben auch bezeichnend für die Entwicklung beim FCM seit dem Verpassen des Sprungs in die zweite (und später in die dritte) Liga und der Entlassung Dirk Heynes im Jahre 2007.

Das letzte Mal als man in Magdeburg etwas lauter als heimlich vom Weg nach oben träumte, war vor ziemlich genau einem Jahr vor dem fünften Spieltag und der damaligen Partie als überraschender Tabellenführer beim Tabellenelften RB Leipzig. Ich genoss zu jener Zeit die spanische Sonne und verpasste den Arbeitssieg der RasenBallsportler und damit den Auftakt zum Niedergang der Sachsen-Anhaltiner, die fast im Regionalliga-Abstieg endete. Mindestens 5.000 Magdeburger nahmen damals die euphoriegetränkte Reise nach Leipzig auf sich. Irgendwas unterhalb der 2.000 blieben gestern in weitaus weniger euphorischen Zeiten übrig. Dazu gesellten sich etwa 8.000 erwartungsfrohe Leipziger (im Gegensatz zu etwa 6.000 vor einem Jahr) und heraus kam eine ganz hübsche Kulisse.

Was – mal abgesehen von den misslichen Wetterbedingungen – eigentlich einen würdigen Rahmen abgab für ein großartiges, auf und ab wogendes und siegreiches Fußballspiel. Zumal der nicht gerade mit einem übermäßig gutem Ruf versehene (aber sehr sicher leitende) Babak Rafati einen Hauch von Bundesliga durch die Red Bull Arena wehen ließ. Es wurde aus allem nichts, weil die einen hervorragend zerstörten und die anderen kein Mittel dagegen fanden.

Es war eigentlich ganz simpel, was der – zumindest mir – nicht gerade als Taktikfuchs bekannte Magdeburger Coach Sandhowe da gestern auspackte. Man wähle ein defensiv-kompaktes 4-4-1-1 und unterstütze die Außenverteidiger jedes Mal, wenn der Ball zu ihren RasenBallsport-Gegenspielern kommt mit einem oder besser zwei weiteren Zerstörern. Und blockiere das Angriffsspiel des Gegners damit quasi komplett.

Auf der anderen Seite bei RB Leipzig kam man mit diesem taktischen Mittel nämlich gar nicht zurecht. Was die Mannschaft nicht daran hinderte, den Ball trotzdem immer wieder auf die bemitleidenswerten Röttger und Rockenbach (bzw. am Ende Heidinger und Kammlott) zu spielen und dann darauf zu hoffen, dass die irgendwas draus machen. Kaum einmal, dass die RB-Außenverteidiger offensiv aushalfen und so das Duell mit den Magdeburgern zumindest nominell gleichwertig zu gestalten. Es wirkte taktisch schon leicht hilflos bzw. ausrechenbar, was RB Leipzig da gestern gerade in der ersten Hälfte auf den Rasen zauberte.

Was eventuell nicht so aufgefallen wäre, wäre wenigstens aus den unzähligen Standards unmittelbare Gefahr oder gar ein Tor entstanden oder hätte man über die zentralen Mittelfeldpositionen und die Stürmer Tempo ins Spiel gebracht. Aber effektive Standards und das schnelle Spiel mit Ball wurden gestern leider schmerzlich vermisst. Stattdessen liefen einzelne Spieler immer wieder 20 Meter quer bevor sie den Ball weiterspielten und ließen dem Gegner genug Zeit, sich zu ordnen und mit dem Ball zu verschieben.

Zum eh schon langsamen Spiel kam dann auch noch eine recht hohe Fehlerquote im Spielaufbau. Das führte zu einigen Bällen, die bereits rund um die Mittellinie verloren gingen und immer wieder Spielsituationen kreierten, die hätten gefährlich werden können, wenn der 1.FC Magdeburg die offensiven Fähigkeiten gehabt hätte, ein effektives Umkehrspiel aufzuziehen. Woran man auch sieht, dass RB Leipzig gestern seine Punkte nicht gegen eine Übermannschaft hat liegen lassen, denn gegen eine solche wäre man gestern wohl gnadenlos ausgekontert worden.

Nachdem die erste Halbzeit abgesehen von einer 100%igen für Frahn nach Rückpass-Schnitzer und einem Müller -Schuss aus reichlich 20 Metern aus RB-Sicht weitgehend ereignislos und taktisch-spielerisch deprimierend verlief, war der Beginn der zweiten Halbzeit durchaus ein Lichtblick. Was nicht zuletzt daran lag, dass mit Bastian Schulz einer der beiden Sechser offenbar zum freien Radikal im Mittelfeld auserkoren wurde, sodass dieser fortan links und rechts und wieder links und in der Mitte auftauchte und so die Magdeburger Grundordnung desöfteren half durcheinander zu bringen. Rund um den 1:1-Ausgleich war RB Leipzig durchaus drauf und dran das zweite Tor zu erzielen. Zwei Frahn-Kopfbälle, ein nicht gegebener Elfmeter (dessen Rechtmäßigkeit ‘dank’ fehlender Fernsehbilder nicht aufzuklären ist). Mit ein bisschen Glück geht RB Leipzig in dieser Phase in Führung.

Tat man aber nicht und ab der 70. Minute hatte man auch nicht mehr das Gefühl, dass der Siegtreffer noch gelingen könnte. Die Zuschauer, die ja meist ein gutes Gefühl für das Spiel haben, wurden zu dieser Zeit jedenfalls von Minute zu Minute ruhiger und weniger hoffnungsfroh. Auch die Einwechslung der Herren Kammlott und Heidinger und die Versetzung von Rockenbach von links ins zentrale Mittelfeld (statt Schulz) und das zeitweise Spielen in einem 4-2-4-System hatte letztlich keinen positiven Effekt mehr, eher hatte man das Gefühl, dass Rockenbach an einem gebrauchten Tag in zentraler Rolle eher den Spielfluss hemmt als befördert. Und die eingewechselten Kammlott und Heidinger machten auf den Außenbahnen nahtlos weiter bei dem, was bereits Röttger und Rockenbach zuvor gemacht hatten, beim Festrennen in der gegnerischen Verteidigung.

Trotzdem bekam Rockenbach in der Schlussminute noch einmal die Siegchance auf den Fuß. Ein Verteidigerbein kurz vor der Linie verhinderte glückliche drei Punkte für die RasenBallsportler und damit die Erfüllung meines insgeheimen Tipps, dass die RasenBallsportler kurz vor dem Ende nach umkämpfter Partie den Siegtreffer erzielen. Das gerechte Ergebnis zu diesem Spiel war aber ein Unentschieden, weil die Magdeburger 90 Minuten lang präsenter waren, was auch an ihren Ballgewinnen im Mittelfeld lag. An einen solchen auf RasenBallsport-Seite kann ich mich ehrlich nicht erinnern (wobei es auch schwierig ist, einen Ball in einer Zone zu erobern, die der Gegner beim Spielen eher auslässt), sodass alle Angriffe irgendwie über die Verteidiger und die zwei Sechser aufgebaut werden mussten. Was gegen die massive Defensive der Magdeburger nicht gelang und so auch der im Spiel in Lübeck noch überragende Tom Geißler zwar bemüht wirkte, aber insgesamt doch spielerisch zusammen mit seinen Nebenleuten unterging.

Fazit: Ein zwar überraschendes, aber dennoch gerechtes (weil 25 gute Minuten nach der Pause einfach nicht reichen, um ein Spiel zu gewinnen) Unentschieden gegen eine Magdeburger Mannschaft, die nur defensiv hochklassig agierte und die (derzeit) beschränkten taktischen Qualitäten und die fehlende Schnelligkeit im Spiel nach vorn bei RB Leipzig gnadenlos offenbarte. Insgesamt fehlte dem Spiel von RB Leipzig gerade in der Zentrale Kompaktheit und Geschwindigkeit. Wenn man daraus lernt und variabler wird (oder mal einen der vielen Standards nutzt), dann war es ein hilfreiches Unentschieden. Wenn man nichts draus lernt, kommt wohl (wie bei den Bayern letztes Jahr) bald der nächste, der einfach die Außenbahnen dicht macht.

Lichtblicke:

  • Pascal Borel: Ist natürlich ein bisschen billig, weil man das nach solchen Spielen meistens sagt und meistens nur partiell stimmt, aber sei es drum. Ich bin sicherlich kein großer Anhänger der Personalie Borel, ich hätte gerneeinen jungen Herrn Bellot gesehen, aber trotzdem muss ich gestehen, dass mir seine Ruhe gerade in 1-gegen-1-Situationen sehr imponiert. Zwei hatte er gestern, die er durch seine Ruhe sehr gut lösen konnte. Hoffentlich spricht es sich nicht quer durch die Regionalliga rum, dass man gegen Borel in solchen Situationen am ehesten erfolgreich ist, wenn man den Ball wie der Hamburger Bertram an Spieltag 2 kompromisslos unter die Latte hämmert..

Schattenblicke:

  • Tim Sebastian: drei Top-Gelegenheiten hatte der 1.FC Magdeburg, bei allen dreien war Tim Sebastian (negativ) beteiligt. Bei der ersten geht er fahrlässig in einen Zweikampf und verliert ihn als letzter Mann –> Borel rettet. Bei der zweiten rückt Sebastian unnötig anstatt des Rechtsverteidigers Müller für einen Zweikampf an die Eckfahne, wodurch Franke in der Mitte auf Sebastians Position rücken muss und Geißler statt Franke plötzlich (zu weit entfernt) gegen den Magdeburger Stürmer Krieger steht –> Tor. Bei der dritten köpft Sebastian einen Ball innerhalb des Strafraums direkt auf einen Gegenspieler, der dann per Flanke auf einen Kollegen auflegt –> Borel rettet im 1-gegen-1. Gestern war Sebastian in der Innenverteidigung ein Risiko und wirkte überraschend auch in einigen Situationen zu langsam.
  • Thiago Rockenbach: sicherlich auch eine subjektive Wahl, da Rockenbach immerhin permanent bemüht war. Trotzdem war er für mich gestern Sinnbild dessen, dass offensiv nichts gelingen wollte. Kaum ein Pass, der ankam. Kaum eine der gut gemeinten Ideen, die aufging. Einen Tag lang keiner, der den Unterschied machte.

Randbemerkung: Ich bin als ostsozialisierter Fußballanhänger nun nicht wirklich ein Anhänger moderner Fankultur. Mir wirkt das oft viel zu verkrampft leistungsstrebend. Hauptsache laut und möglichst immer. Support als ein Wettkampf und Leistungsschau gegen den jeweils gegenüber (oder wo auch immer) liegenden Anhang. Mir ist das zuviel Muss und zu wenig Lust, auch wenn ich gewiss ein sehr hohes Maß an Puls mit zum Fußballspiel bringe. Trotzdem muss selbst ich dem Magdeburger Anhang ein Kompliment aussprechen. Man hat das ja in der Leipziger Schüssel doch recht selten, dass ein größerer, gegnerischer Anhang ausschließlich (!) für die Unterstützung der eigenen Mannschaft anreist. Die meisten führen während der Spiele ja einen fäkalsprachlichen Kreuzzug für die ihrer Meinung nach bessere Fußballkultur. Nicht so der Magdeburger Anhang, der sein Lieblingsteam verbissen dabei unterstützte, eine Überraschung im Spiel beim sportlichen Favoriten zu erzielen. Und sicherlich einen guten Teil zum aus Gästesicht gelungenen Nachmittag beitrug.

———————————————————–

Tore: 0:1 Krieger (30.), 1:1 Röttger (57.)

Aufstellung: Borel – Müller, Sebastian, Franke, Kocin – Röttger (81. Heidinger), Schulz, Geißler, Rockenbach (75. Kammlott) – Kutschke, Frahn

Zuschauer: 9789

Links: RBL-Bericht [broken Link], RBL-Liveticker [broken Link], RB-Fans-(Stimmungs)Bericht [broken Link], MDR-Bericht [broken Link], FCM-Bericht (broken Link)

3 Gedanken zu „Regionalliga: RB Leipzig gegen 1.FC Magdeburg 1:1“

  1. trefflich analysiert wie immer…. :-)
    Ich hatte ab der 60 min zwar auch die Hoffnung auf ein 2:1 – ab der Auswechslungen dann aber mich aber dem Tenor der Reihen vor und hinter mir anschliessen müssen: “..das wörd heud nüscht mähr..”
    Thema FCM – Fans: Danke für einen gelungenen Einblick in gelebte Fankultur – choreografisch und stimmungstechnisch ein schönes Vorbild für unsere Supporter gegenüber – hoffe Sie haben sich das alles gut angesehen.. Die Trommel find ich übrigens gut – bringt etwas mehr Leben in die Bude….
    Alles in allem ein gerechtes Unentschieden zur rechten Zeit – es gibt noch viel zu tun! :-) aber das wird schon…. :-)

  2. Das wir “nur” unseren Verein unterstüzt haben und kein Wort über den Blubberverein fiel liegt daran, dass euer Konstrukt uns sowas von egal ist, dass ihr es nicht mal wert seid Schmähungen zu bekommen.
    Ich hoffe nur, dass auch diese Saison für euch unbefriedigend endet und am Ende kann von mir aus sonstwer auf Platz 1 stehen sofern es Kein Produkt aus Österreichs Gnaden ist oder aus der unaussprechlichen Stadt im Süden S-A kommt . . .

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert