Hans-Georg Felder macht den Vogel

Oh ha, was für eine ereignisreiche Woche bei RB Leipzig. Am 17.03., also letzten Donnerstag verkündete man ein Testspiel bei Union Berlin, das einen Tag später von den Gastgebern nach Fanprotesten und der Feststellung des Präsidenten der Unioner, dass ein Spiel gegen RB nicht zu ihnen passe, abgesagt wurde.

Am 21.03., also am Montag wurde als Ersatzgegner Hessen Kassel präsentiert, eine Mannschaft mit ähnlich emotional-traditionsbewusster Anhängerschaft. Ein Spiel, das RB Leipzig zuerst für die Red Bull Arena ankündigte, allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit, weil die Vorbereitungen einer Veranstaltung angeblich keinerlei Publikumsverkehr in der 44.000-Zuschauer-Arena zuließen. Aha. Aber auch egal, weil einen Tag später die Kasseler feststellten, dass sie im Kampf um die 3.Liga keine Störfeuer von gegen RB Leipzig protestierenden Fans bräuchten und deshalb vom offenbar vorhandenen Spiel-Rückgaberecht Gebrauch machten. Dass die Hessen nun die Unioner zum Freundschaftsspielen besuchen, kann man getrost als Synergieeffekt bezeichnen. Das nächste Mal gerne ohne Vermittlung seitens RB.

Doch der Oberknüller hatte mit all dem wenig zu tun, denn noch am selben Tag musste Presse- und Kommunikationschef Hans-Georg Felder seinen Schreibtisch bei RB Leipzig räumen und wurde im beiderseitigen Einvernehmen in die Wüste geschickt. Was gleichzeitig die erste spektakuläre, weil aus dem Nichts kommende Personalentlassung seit der Entlassung Tino Vogels am Ende der letzten Saison darstellt. Fast 10 Monate hat es RB Leipzig also ohne Entlassung von Führungspersonal geschafft. Nicht schlecht..

[ergänzendes Vorwort-Update 27.03.2011: Da das folgende höchst subjektive Eindrücke eines Außenstehenden sind und bei allem unten beschriebenen Verständnis für die Entscheidung, die Öffentlichkeitsarbeit bei RB Leipzig personell neu zu organisieren, muss man vorneweg festhalten, dass Hans-Georg Felder 2009 aus der Bundesliga in die fünfte Liga gewechselt ist. Zu einem Verein, der zu diesem Zeitpunkt noch gar keine funktionierende Pressearbeit hatte. Hans-Georg Felder hat also seinen Job in einer Phase übernommen, die von Aufbauarbeit und all den Schwierigkeiten eines noch jungen, personell in der Verwaltungsstruktur nicht ganz optimal aufgestellten Vereins geprägt war. Pressearbeit, Vereinskommunikation, Fanclubarbeit, Unterstützung von Live-Ticker und Fan-Radio-Team. In der Zeit seines Wirkens hat er die Öffentlichkeitsarbeit professionell betrieben und Strukturen geschaffen, von denen RB Leipzig noch zukünftig profitieren wird. Deshalb sollte auch Zeit bleiben, dafür noch mal Danke zu sagen und Hans-Georg Felder ein freudliches „Viel Glück weiterhin“ hinterher zu rufen. Was hiermit geschehen sei.]

Über die Gründe der Trennung gibt es derzeit nichts außer Spekulationen und selbst von denen gibt es nur wenige, wenn man die im Dunkeln tappenden Berichte der LVZ und der BILD zum Maßstab nimmt. Bleibt also nur, ein wenig im Trüben herumzustochern.

Die unspektakulärste und deshalb sofort auszuschließende Möglichkeit besteht darin, dass die offiziellen Meldungen des Vereins über ein einvernehmliches Trennen und die Rückkehr Hans-Georg Felders nach Berlin aus persönlichen Gründen stimmen. Die von der LVZ heute ins Spiel gebrachten Tränen bei der Verabschiedung Felders von der Mannschaft (wohlgemerkt in Felders Augen) wären dann Ausdruck seiner Zerrissenheit angesichts einer Situation, die ihn zwar trauern lässt, aber wegen dem großen diffusen Themenfeld ‘Persönliches’ nicht zu verändern ist. Ähm ja. Nicht sehr wahrscheinlich das Ganze.

Schon deshalb nicht wahrscheinlich, weil man sich im gegenseitigen Einvernehmen nicht derart überhastet trennt, dass selbst die Kommunikation via offizieller Webpräsenz komplett in sich zusammen bricht. Und unwahrscheinlich auch deshalb, weil Hans-Georg Felder den Job bei RB Leipzig sicher nicht wegen dem Hier und Jetzt von Oberliga und Regionalliga machte, sondern wegen der großen Perspektive Bundesliga.

Wahrscheinlicher schon, dass vereinsinterne Differenzen zur vorzeitigen Trennung führten. Vielleicht scheiterte er ja an Thomas Linke, dem die Arbeits- und Auftretensweise Hans-Georg Felders nicht passte. Vielleicht gab es Zoff mit dem Geschäftsführer Dieter Gudel. Oder hat sich eventuell sogar Dietrich Mateschitz himself in die Personalie eingemischt? Man weiß es nicht und man wird es dank Kommunikationsstrategie bei Red Bull wohl auch nie wirklich erfahren.

Was bleibt ist die Tatsache, dass sich nach Hans-Georg Felders Abschied gerade im Fanumfeld nicht sonderlich viele Freunde zu Wort melden. Menschen, die ihn nicht mochten, hielten sich bisher aufgrund seiner zentralen Position im Verein zurück, brauchen aber ihre Freude über seinen Abschied nun nicht mehr verhehlen. Wer das nachvollziehen möchte, kann dies im entsprechenden Forumsthread bei rb-fans.de tun. Nicht unerwähnt bleiben soll aber auch, dass sich der Bulls Club dezidiert für die “konstruktive und fördernde Zusammenarbeit” bedankte [broken Link].

Die tendenziell eher negativen Erfahrungsberichte aus dem RB-Umfeld bestätigen meine ganz eigene, subjektive Wahrnehmung der Außenwirkung Hans-Georg Felders, die mit dem Begriff Feldherr vielleicht ganz gut beschrieben ist. Nach Spielen stand er vor dem Spielertunnel, dirigierte Medien und Spieler nach Gusto, jagte Kameramänner vom Feld und schiss Ordner an, die nicht darauf aufpassten, dass Kameramänner nach dem Spielende aufs Feld gehen. Hans-Georg Felder wirkte wie jemand, der alle Kontrolle über Informationen bei sich behalten wollte. Wenig erstaunlich, dass Hans-Georg Felder seinen schon bei Hertha BSC fehlenden Zugang zum Web2.0 auch bei RB Leipzig nicht ablegen konnte. Interessanterweise war in den letzten Wochen immer öfter zu beobachten, dass gerade erfahrenere Spieler sich dem Spielschlussdirigenten verweigerten. Vielleicht auch dies bereits ein Indiz für die schleichende Entfremdung vom Kommunikationschef von RB Leipzig. Vielleicht auch einfach nur ein Indiz für die Schwierigkeiten des Jobs eines Kommunikationschefs im oft launischen Fußballumfeld.

Viel bedenklicher fand ich persönlich, dass Hans-Georg Felder nie den Eindruck machte, in der Realität des Leipziger Fußballs angekommen zu sein. Passender Ausdruck ist der Felder zugeschriebene Satz:

Zweite Liga ist Scheiße, aber glauben Sie mir: Vierte Liga ist noch viel schlimmer. (immerhertha.de [broken Link])

So wirkte er tatsächlich in seinem Auftreten. Alles ein wenig unter seinem Niveau. Oberliga und Regionalliga als schmuddeliges Umfeld, in das man sich wie ein Dschungelcamper zwar begibt, aber nur weil man die folgende Ausschüttung von Bundesliga und Erfolg nicht verpassen will. Das ist als Motiv grundsätzlich völlig in Ordnung, aber eventuell nicht zielführend. Für die Arbeit in den kampfstarken Niederungen des Fußballs braucht man auch ein bisschen Demut und Bodenständigkeit, gerade wenn der eigene Verein RB Leipzig heißt, noch recht jung ist und nach seinem Publikum sucht und vielerorts nicht sehr wohl gelitten ist. Das mag vielleicht nicht sehr sexy klingen, ist aber unter Umständen eine viel erfolgsversprechendere Herangehensweise.

Ich habe natürlich keine Ahnung, warum Hans-Georg Felder tatsächlich Knall auf Fall aus dem Verein ausschied. Ob irgendwas meiner eigenen Beobachtungen und Kritiken dabei eine Rolle spielte, bleibt höchst zweifelhaft. Festhalten kann man, dass vermutlich nur eine vergleichsweise geringe Zahl an Fans Hans-Georg Felder tatsächlich vermissen wird. Das mag kein guter Grund für herbe Personalentscheidungen sein, erklärt aber, dass Hans-Georg Felder im Gegensatz zu Tino Vogel kaum mit großherzigen Unterstützungserklärungen seitens der Fans rechnen kann. Und auch ich sehe diese Personalentscheidung eher als Anlass, meine Hoffnung auszudrücken, dass die mit Thomas Linke begonnene personelle Konsolidierung des Vereins RB Leipzig auch auf dem Posten des Kommunikationschefs fortgesetzt wird. Ganz im Sinne der Zukunft des Vereins wohlgemerkt.

5 Gedanken zu „Hans-Georg Felder macht den Vogel“

  1. hervorragende Analyse!

    Felder war letztlich angesichts der Häufung seiner Fehltritte nicht mehr tragbar oder zu halten … wer freiwillig den Schritt vom Profibereich in die Niederungen der Fußballlandschaft wagt muß auch sein eigenes Wesen & Benehmen an die veränderten Umstände anpassen und das ist ihm, wie im Beitrag geschrieben, nun mal nicht gelungen …

    Dank an Ihn aber trotzdem für die geleistete (Aufbau)Arbeit und weiterhin alles Gute!

  2. @marco: Gemach, Gemach. Es wird die Zeit kommen da werden sich viele Mannschaften um ein Freundschaftsspiel mit RB Leipzig rangeln. Die Verhaltensweise von Union Berlin und Kassel ist doch sehr kleinkariert. Werden die Spieler bei den kleinkarierten Teams etwa mit Kieselsteinen und dem Lob für das ehrenamtliche Fußballspielen bezahlt? Was soll die ganze Aufregung um den Geldgeber von RB Leipzig? Was soll dieser Neid, diese spießige und muffige Verweigerungshaltung – wir machen kein testspiel gegen RB Leipzig – , diese angebliche Moral der Traditionsvereine. Mir stößt das immer sehr auf. Dieses moralin-sauere Gejammere über das viele Geld mit dem angeblich RB Leipzig zugeschüttet wird.

    Ich kenne sehr viele Nicht-Union Fans die sich sehr amüsiert haben über die Subbotnik-Schichten der Anhänger um das Stadion. Was war eigentlich der Grund für diesen spätsozialistischen Aktionismus der Union-Anhänger? Schlicht und einfach fehlendes Geld. Ach da ist man fast bemüht sich der klaren Niederlage im FDGB Pokalfinale gegen den 1. FC Lokomotive Leipzig zu erinnern. Ich fand Union noch nie kultig oder erfolgreich.

    Was soll man zu Kassel sagen. Eine liebenswürdige Stadt. Mit AGON haben sie einen wirklich feinen Sportverlag. Doch Kassel und erfolgreichen Fußball bringt man jetzt nicht unbedingt zusammen.

  3. Lieber Marco. Ich nehme an, Du bist kein RBL Fan. Dies entnehme ich Deinem Posting.
    Ich persönlich bin auch kein bekennender RBL Fan. Meine bevorzugten Farben sind doch eher blau-gelb. Doch was mich persönlich stört ist die immer wieder auftretende Diskussion um Tradition und dem Vorwurf des erkauften Vorteils. Der daraus resultierende Neid und die Ohnmacht offenbar nichts dagegen tun zu können. Was soll der Unfug? Warum immer sabbotieren?
    Jedesmal die Kernaussage. “Das hat nichts mit Tradition zu tun…” Tradition, Tradition.
    Tradition entsteht, wächst und hat es verdient toleriert zu werden. Jeder Verein hat nunmal eine Entstehungsgeschichte. Und jede ist verschieden. Was auch gut so ist.

    Schauen wir uns doch mal die Erstligavereine an. Wieviele dort verpflichtete Spieler beim FCB, Borussia oder S04 sind wirklich in der jeweiligen Stadt aufgewachsen? Wieviele Trainer werden gekündigt oder neu verpflichtet, weil es eben mal nicht so lief und gesteckte Ziele nicht erreicht wurden? Dreht sich dort nicht alles nur ums Geld? Ich sage ja. Ist daran etwas verwerflich? Ich sage nein.
    Moderne Vereine sind Firmen und keine kommunistische Wohlfahrtsverbände. Sie müssen geführt werden. Regt sich jemand auf, wenn Globalplayer der freien Wirtschaft fusionieren? Werden deswegen Autokäufe oder Versicherungsabschlüsse boykottiert? Nein. Was soll also dieser Neid?
    Die meisten ostdeutschen Fans regten sich auf, dass westdeutsche Vereine zur Wendezeit „rüber“ kamen und hiesige Leistungsträger zu Spottpreisen weggeholt haben. Beispiele aus Chemnitz oder Dresden kennen wir ja.
    Die daraus resultierende finanzielle und sportliche Schieflage einiger ostdeutscher Vereine ist auch bekannt.
    Und jetzt? Jetzt wo einmal Geld zurück fließt, ist das auch nicht genehm? Übt Toleranz und freut Euch.
    Fussball ist kein Krieg, den es zu gewinnen gilt. RBL ist eben ein Beispiel zu zeigen, wozu ein Verein in der Lage ist, wenn die nötigen finanziellen Mittel gegeben sind.
    RB macht das auch aus Nächstenliebe.

    Ihr seht immer nur den Verein als Hassobjekt. Was ist aber, wenn wieder Erstligaspiele hier in >>UNSERER<< Stadt stattfinden? Das Stadion will genutzt werden, nicht zum Kostengrab verkommen. Nicht nur die Hotel und Gastrobranche partizipiert davon, wenn wieder Besucher und Auswärtsfans zu einem hier stattfindenden Spiel kommen.
    Leute, wacht auf und erkennt die Chance, die unserer Region damit geboten wird. Seid ein Beispiel dafür, dass es auch anders gehen kann und das eine neutrale und friedliche Koexistenz verschiedener Vereine in einer City möglich ist.

    Was ich am meisten verurteile, sind diese immer wieder auftretenden hasserfüllten Übergriffe einiger saudämlicher Trottel und Chaoten. Die bringen niemanden was. Am wenigsten den Vereinen für welche sie "kämpfen". Die haben nämlich darunter zu leiden und werden mit Strafgeldern belegt. Vom Imageschaden ganz abzusehen. Dann aber wiederum aufregen, wenn kein Geld da ist um neue Spieler zu verpflichten. Ihr seht, ein Teufelskreis.
    Mein Posting hat jetzt nicht direkt mit dem Blogbeitrag zu tun gehabt, musste aber mal geschrieben werden. Da eben auch hier die Stichelleien nicht außen vor bleiben können…

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