Sportdirektoren-Roulette

Guido Schäfer bettelt gerade um die Besetzung des RasenBallsport-Sportdirektor-Postens mit Dietmar Beiersdorfer (LVZ vom 22.01.2011), woraufhin ihn der Trainer von RB Leipzig Tomas Oral freundlich, aber bestimmt und vor allem in der Sache völlig richtig zurecht weist:

Didi kann sich ja nicht verteilen, er koordiniert alle Fußball-Aktivitäten von Red Bull. (LVZ vom 24.01.2011)

Und wie ich finde, ist er in dieser Position die perfekte Besetzung. Der Mann fürs Große und Ganze, für die strategische Planung der Clubs, die unter den Fittichen von Red Bull stehen, für das Generieren von Synergieeffekten und nicht zuletzt für des Entsprechen seines in Hamburger Zeiten erworbenen Rufs, ein (wirtschaftlich) glückliches Händchen bei Transfers zu haben. Auf dem Leipziger Sportdirektoren-Stuhl braucht es keinen Beiersdorfer und ein nach Leipzig ziehender Beiersdorfer würde auch nichts ändern, denn ob der Head of Global Soccer Red Bull nun von Salzburg oder von Leipzig aus durch die Welt jettet, macht keinen großen Unterschied.

Nein, RasenBallsport Leipzig braucht – ich hatte das in meiner Hinrundenanalyse schon mal erwähnt – einen eigenen Sportdirektor oder irgendein Äquivalent. Jemand der permanent in Leipzig ist und ein Gespür für Mannschaft und sportliches Umfeld entwickelt, jemand der dem Trainer den Rücken frei hält und ihm auch mal mit Rat und Tat zur Seite stehen kann und jemand der auch als regionale Identifikationsfigur fungieren kann. Da muss einem derzeit natürlich sofort Matthias Sammer einfallen.

Als großer Name aus dem Osten Deutschlands ist er Identifikationsfigur, als DFB-Sportdirektor dürfte er über ein ausgezeichnetes Netzwerk im Fußball verfügen und als erfolgreicher Spieler, Trainer und Medienexperte ist er potenziell in der Lage, sich gleichermaßen vor Trainer und Mannschaft zu stellen, wie sie mit der Faust auf dem Tisch auch aufzurütteln. Zudem hat er durch seinen öffentlichen HSV-Flirt eindeutig zu verstehen gegeben, dass er nicht an seinem DFB-Posten klebt, sondern gerne in den Vereinsfußball zurückkehren würde.

Sammer würde eigentlich fast perfekt in das Anforderungsprofil bei Red Bull passen. Namhaft, erfolgreich, flügelversprechend. Trotzdem sehe ich nicht, dass ein Sportdirektor dieser Größe die ideale Besetzung in Leipzig wäre. Ganz mal davon abgesehen, dass ich Sammer weder als Spieler noch als Trainer sonderlich sympathisch fand (was für die fachliche Beurteilung eventuell erst mal unerheblich ist) und abgesehen davon, dass Leipzig nicht viel näher an München liegt als Hamburg, sodass das Sammersche Problem, nicht so weit weg von der Familie arbeiten zu wollen, weiter bestehen würde, kann ich mir eine starke Persönlichkeit unterhalb von Beiersdorfer nur schwer vorstellen. Die Personalentscheidungen auf höchster Ebene bei RB Leipzig haben gezeigt, dass Beiersdorfer im administrativen Bereich vor allem auf Vertrauenspersonen setzt, die im permanenten Austausch mit ihm, vor allem auch seine Vorstellungen umsetzen. Schwer vorstellbar, dass sich ein Matthias Sammer oder sonst ein großer Name dies antun würde.

Dazu kommt, dass Sammer als Persönlichkeit und als ehemaliger Trainer natürlich in einer Sportdirektoren-Position den amtierenden Trainer auch erdrücken kann. Nicht nur durch hohe Ansprüche, sondern auch als Damoklesschwert, selbst wieder Trainer werden zu wollen. Seit dem Amtsantritt Sammers beim DFB wird über Sammer als Löw-Nachfolger (bzw. vorher noch Klinsmann) spekuliert. Dass sich dies wiederholen würde – egal wo er Sportdirektor werden würde – kann man als gesichert annehmen.

Wenn man es rein organisationsstrukturell sieht, braucht RasenBallsport Leipzig einen Sportdirektor ohne große Ambitionen, einen Arbeiter, der sich Vertrauen und Autorität nicht unbedingt durch Persönlichkeit, sondern durch Fachlichkeit erarbeitet. Eine Art Bastian Reinhardt, bei dem man immer nicht so recht weiß, warum sich die (vereinsinterne) Fußballwelt herausnimmt, ihm permanent unter die Gürtellinie zu treten.

Für Leipzig kommt demnach entweder eine interne Lösung in Frage (würden sich ein Lars Müller oder ein Ingo Hertzsch als Sportdirektor eignen?) oder eine Person wie Frank Rost, der aus der Region kommt und demnächst seine aktive Karriere beenden dürfte. Ralf Minge fände ich auch immer noch einen spannenden Namen in dem Zusammenhang. Auf jeden Fall keine Teilzeit-Beiersdorfer-Lösung und von mir aus auch nicht unbedingt die große Lösung a la Sammer. Noch andere Namen in der Verlosung?

5 Gedanken zu „Sportdirektoren-Roulette“

  1. Sehr schön zusammengefasst!
    Sammer als Sportdirektor geht schon allein wegen des HSV-Theaters nicht mehr, der Mann ist vorläufig verbrannt und würde RBL noch mehr Sympathien entziehen.
    Didi wird sich das in L.E. noch eine Weile aus der Ferne anschauen (von gelegentlichen Vor-Ort-Besuchen mal abgesehen) und spätestens nach dem Aufstieg in die 3. Liga handeln. Die Idee mit Basti Reinhardt gefällt mir, das würde auch zur Beiersdorferschen Taktik passen: erst den HSV anlernen lassen und dann in der Stunde der Not eine Alternative bieten.
    P.S. @rotebrauseblogger: Wann meldest Du Dich endlich bei twitter an?

  2. @Peter: Um es mit dem Schalker Pressechef zu sagen: Aus der Nutzung von Twitter “erschließt sich noch kein definierter Nutzen”. Hehe. Oder anders gesagt: wenn es um die Adaption von Technologien geht, brauche ich immer ein bissel länger. Und irgendwie fühlt sich Twitter für mich immer noch nicht ‘sexy’ an. Das geht Dir offenbar wesentlich anders..

  3. Dem P.S. von Peter kann ich mich nur anschließen, immerhin bin ich über seinen Twitter-Link hier gelandet. Erstmals. Ein Stammleser mehr …

  4. Gehe oft d’accord mit Dir. Doch hier widerspreche ich. Sammer ist für den DFB praktisch unersetzlich geworden. Sein Talente Netzwerk und Ausbildungssystem kann man praktisch bei allen BuLi Spielen bewundern. Nach dem Schalke Spiel würde es mich nicht wundern wenn 15 jährige zu Fussballhelden werden (natürlich würde es das, aber).
    Der DFB weiss das und hat ihn unter Entscheidungsdruck gesetzt, während der HSV stolz den Sieg vorm Abpfiff verkündet hat. Will sagen wer Sammer kriegt, hat Zugang zu allen Nachwuchsschmieden in Deutschland. Und Sammer weiß das auch;-)
    Für uns noch zu früh, aber ab 2. BuLi muss er hier her- also so in 3 Jahren. Ich frag ihn mal:-)

Schreibe einen Kommentar zu Peter Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert