(Gescheiterte) Finalisten

Ach liebe deutsche Fußballnationalmannschaft: Ein bisschen war es wie vor zwei Jahren beim EM-Finale. Nach dem Spiel waren Sie natürlich enttäuscht, aber auch wiederum nicht so richtig. Keine dicken Tränen, die aus den Gesichter rollerten, keine Spieler, die minutenlang völlig zerstört am Boden lagen. Was auch nachvollziehbar ist, denn Sie hatten gerade ein Spiel verloren, in dem man nie das Gefühl gewann, dass Sie eine Chance auf den Sieg hätten. Was wiederum komisch ist, bedenkt man, dass Ihre spanischen Kontrahenten ‘nur’ durch einen Standard das Spiel entschieden. Einen Standard, bei dem man nie und nimmer den Herrn Puyol derartig frei zum Kopfball kommen lassen darf. Denn, auch wenn Ihr Spiel sicherlich nicht sehr gut war, lief doch eigentlich vieles für Sie. Die Spanier spielen und spielen, ohne aus ihrem perfekt organisierten Spiel das entscheidende Tor zu kreieren (was auch an einem fehlenden Torres in Top-Form lag) und je länger das Spiel dauert, desto eher könnte ein schneller Konter die Spielanteile auf den Kopf stellen. Von daher hatten Sie sicher die große Chance, den großen Spaniern ein Bein zu stellen. Sie hätten vielleicht einfach mehr dran glauben müssen.

Trotzdem können Sie sich die WM natürlich als Erfolg an die Brust heften und sich nun in Ruhe dem öffentlichen Diskurs um die Zukunft des Trainers und des Kapitänsamts widmen. Das verspricht ein paar unterhaltsame Momente. Und Sie werden nun vermutlich mit einem leicht überhöhtem Anspruchsdenken leben müssen, was mir ehrlich gesagt etwas leid tut für Sie. Denn wenn diese WM etwas gezeigt genau hat, dann waren es neben den Stärken auch die Schwächen Ihres Teams. Bei allem positiven, was man über ihre Art und Weise Fußball zu spielen, sagen könnte, fiel doch auf, dass Sie mit Ihrem Konzept sehr schnell scheitern, wenn Sie auf Mannschaften treffen, bei denen auch die offensiven Spieler defensive Arbeit verrichten. Wenn vor allem Ihre Innenverteidiger, aber auch die Doppel-Sechs bereits beim Spielaufbau gestört wurden, wie es Serbien, Ghana und vor allem die perfekten Spanier taten, dann fiel Ihr Offensiv-Spiel erstaunlich schnell in sich zusammen bzw. zeigten Mertesacker, Friedrich und Co eine Ungenauigkeit und Fehlerquote, die es dem Gegner allzu einfach machte, gut auszusehen. Was entweder heißt, dass die individuelle Klasse gerade der Innenverteidigung nicht hoch genug ist oder heißt, dass in diesem Bereich das spieltaktische Verständnis noch nicht ausreicht. Von daher werden Sie auch in Zukunft vermutlich größere Schwierigkeiten haben, defensive Systeme spielerisch zu knacken, was aber genau das ist, was dummerweise verstärkt von Ihnen erwartet werden dürfte.

Ach liebe niederländische und spanische Fußballnationalmannschaft: In letzter Konsequenz erleben wir mit Ihren beiden Teams eines der würdigsten, denkbaren Finales dieser nicht immer sehr spektakulären WM. Es hätte, wenn man ehrlich ist, statt Ihnen liebe Niederländer auch die Brasilianer treffen können, wodurch die beiden komplettesten Teams der WM aufeinander getroffen wären, aber so wie es ist, ist es auch nicht schlecht. Und einer von Ihnen wird WM-Geschichte schreiben und zum ersten Mal Weltmeister. Das ist schön, auch wenn ich nicht weiß, wem von Ihnen beiden ich mehr die Daumen drücken soll, Ihnen liebe Spanier, weil Sie in allen Beziehungen das beste Team der Welt sind oder Ihnen liebe Niederländer, weil Sie vom Gefühl her nach all den Enttäuschungen und vielen guten Leistungen vergangener Turniere einfach mal dran wären. Ach egal, ich freu mich drauf.

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